Es wird angenommen, dass das Büchlein „Vitis mystica“ um das 13. Jahrhundert in Deutschland entstanden ist. Nach den Worten des Herrn wird der Heiland als mystischer Weinstock dargestellt. Hier wird zum ersten Mal die sinnliche Bedeutung des inneren Leidens Christi deutlich hervorgehoben.
Alle seine Freunde und alle seine Getreuen wurden Jesu genommen, so dass niemand war der ihn tröstete von allen, die ihm teuer waren (Klagelieder 1,2), und als Schmach sein Herz gewärtigte und Elend, da suchte er jemand, der Mitleid mit ihm hätte, und es war niemand, der ihn tröstete, und er fand keinen.
Das Innerste des allerheiligsten Herzens wurde durch die Lanze in Grausamkeit durchbohrt, obwohl es schon längst vom Pfeil der Liebe verwundet war. Du hast mein Herz verwundet, spricht im Hohelied (4,9) der Bräutigam der Liebe, du hast mein Herz verwundet, meine Braut, meine Freundin, meine Schwester. – Deine Braut, deine Freundin, deine Schwester hat dein Herz verwundet, o Herr Jesu Christe? Was war es denn noch nötig, dass es zudem noch von den Feinden verwundet wurde? – Was tut ihr, ihr Feinde? Wenn das Herz des liebreichen Jesus schon verwundet ist, ja, weil es schon verwundet ist, warum fügt ihr ihm noch eine neue Wunde zu?
Da wir nun einmal zum süßesten Herzen Jesu gekommen sind, und weil es gut ist, dort zu weilen, so wollen wir uns von ihm nicht leicht trennen lassen. Denn die von dir sich entfernen, werden in den Sand geschrieben (Jr 17,13). Denen aber, die zu dir kommen, sagst du: Freuet euch, dass eure Namen eingeschrieben sind im Himmel (Lk 10,20). So wollen wir denn zu dir hinzutreten, und frohlocken wollen wir und uns freuen in dir, eingedenk deines Herzens.
O wie gut ist es und wie beglückend, in diesem Herzen zu wohnen. Ein reicher Schatz ist dein Herz, o guter Jesus, und eine edle Perle, die wir in deiner durchbohrten Brust gefunden haben. Wer könnte diese Perle fortgeben? Alles will ich vielmehr dafür hingeben, mit allen Gedanken und Neigungen meiner Seele will ich sie mir erwerben und all mein Denken hineinlegen in das Herz Jesu meines Herrn, und sicher bin ich, es wird sich meiner annehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen