Gegen Ende des 14. Jahrhundert wurde statt der mystischen Richtung Meister Eckarts und Taulers im Dominikanerorden die Volkspredigt mehr gepflegt. Der Dominikaner Johannes Herold verfasste ein Predigtwerk, das zwei Jahrhunderte lang für die Volkspredigt viel benutzt wurde. Die Herz-Jesu-Stellen, die sich in den Predigten finden, gewinnen dadurch erhöhte Bedeutung. Er hebt besonders die Herzwunde als Zeichen der Liebe hervor, wobei er neue Anwendungen von Schriftstellen bietet:
Habt acht und schauet, ob ein Schmerz sei gleich meinem Schmerze. Schau´ die Wunden des Herrn, wie er am Kreuze hängt, sieh das Blut des Sterbenden, den Preis der Erlösung, das Haupt geneigt zum Kuss, das Herz geöffnet, dich zu lieben. Die Arme ausgebreitet, dich zu umfangen. Erwäget das alles in euren Herzen, damit der an euer Herz geheftet sei, der für uns ans Kreuz geheftet wurde. Christus hat uns an drei Stellen seinem Leibe eingezeichnet, in seine Hände, um uns in unsern Nöten und Anliegen zu helfen, in seine Füße, um unsere Schritte zu leiten, und in sein Herz, um unser niemals zu vergessen.
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Er wollte, dass ihm am Kreuze sein Herz geöffnet würde, um uns seine innigste Liebe zu zeigen, gleich als wollte er sagen: Von Herzen liebe ich den Menschen, und das zeige ich in der Eröffnung meines Herzens. Dabei ist noch zu beachten, dass Christus in seinem Leiden von Liebesglut entflammt war. Wenn jemand am Feuer steht, so ist sein Gesicht gerötet. Wie groß die Glut aber war, die in Christi Herz brannte, zeigt, dass sein ganzer Leib rot war, dass er seine Kleider am Kreuze nicht tragen konnte und er nackt ans Kreuz stieg, gleich als wollte er sagen, so sehr brenne ich vom Feuer der Liebe, dass ich meine Kleider nicht ertragen kann. Ein anderes Zeichen, dass er uns von Herzen und glühend liebt, ist die Eröffnung seiner Seite zur vollkommenen Genugtuung für unsere Sünden, beim Herrn ist überfließende Erlösung“ (Ps 129). Beachte, wie vollkommen die Genugtuung war: Für die äußeren Sünden vergoss er äußerlich sein Blut, für die innerlich begangenen Sünden vergoss er das Blut seines Herzens.
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Endlich ließ der Herr sein Herz öffnen, „um uns anzuleiten, dass auch wir ihm unser Herz öffnen sollen. Darum heißt es im Hohenliede: „Die Stimme meines Geliebten, der anpocht: Öffne mir, meine Schwester, meine Freundin, meine Makellose“, als wollte er sagen: „Öffne mir dein Herz in frommer Andacht, wie ich dir mein Herz geöffnet habe im Leiden. Beachte, wie Christus die gläubige Seele bald seine Schwester nennt wegen derselben Menschennatur, bald seine Freundin wegen seiner überreichen Liebe, bald seine Makellose wegen ihrer Reinheit.“
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