Dienstag, 10. Mai 2011

Stephan Fridolin: Über das Herz Jesu

Um 1450 wurde das Klarissenkloster in Nürnberg eine bevorzugte Stätte der Herz-Jesu-Verehrung. Der Franziskaner Stephan Fridolin wirkte bis zu seinem Tod um 1498 hier. Auf das Bitten der Schwestern überließ er ihnen Predigten und theologischen Abhandlungen. Durch das Klarakloster wurden sie dann 1491 herausgegeben; „Schatzbehälter der wahren Reichtümer des Heils und ewiger Seligkeit.“ In seiner Ausführlichkeit über das Herz Jesu hat Fridolin keine Vorgänger:

Wenn uns oft unser eignes Leid unerträglich vorkommt, wer vermöchte dann wohl das Leid aller Menschen, die jemals auf Erden waren, zu ertragen?

Das Herz Christi hat das alles umfasst mit allen Umständen und Ursachen, mit allen Folgen und allen Nachwirken. So ist das Herz Christi ein unergründlich tiefes Meer gewesen, das jegliche Bitterkeit in sich aufnahm, wie das Meer alle Wasser in sich sammelt, sie aber viel süßer wieder ausgießt und (aus den Wolken) niederströmen lässt. Die Bitterkeit aber behält es für sich.

So viel Bitterkeit der Sünden, die den Menschen süß waren, ist im süßen Herzen Christi zusammengeströmt. Selbst aber hat es nur die Süßigkeit der Genugtuung, der Vergebung der Sünden, der Erlangung der Gnaden und der Seligkeit zurückgegeben.

Die Bitterkeit des Leidens und der Sühne für unsere Sünden hat es für sich gewählt. Durch die Luft der Sünde war es bitter geworden. Denn je größer die Luft der Sünde ist, um so viel bitterer und leidensvoller ist sie für Christi Herz gewesen, und um so mehr hat unsere böse Sündenlust das Herz Christi mit Bitterkeit erfüllt.

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Die Seelen der Menschen hat der Herr geliebt wie seine Schwester, wie seine Kinder, ja wie seine Braut. Darum hat er um sie so viel Leid getragen, ja noch Größeres hätte er gern leiden wollen.

Der menschlichen Seelen aber sind unendlich viele. Ihre Unvollkommenheiten und die Sünden, ihr Undank und die Untreue, das Unheil und Unglück, das aus ihren Sünden fließt, ist so groß, dass der Mensch auch nur einen geringen Teil seiner eigenen Sünden kennt. Der Herr aber wollte für die Sünden aller Menschen Genugtuung leisten und dafür dulden und leiden.

Nun überdenke, welch großes Leiden sein allerheiligstes liebreiches Herz gelitten hat! Darum wird es mit Recht ein Meer der Bitterkeit genannt, obwohl es zugleich in Wahrheit ein Quell vollkommener Süßigkeit war. Alle seine Bitterkeit hat es für uns in Süßigkeit, all seine Trauer für uns in Freude, all seine Furcht für uns in Sicherheit, all seine Angst und Not für uns in endlose Seligkeit gewandelt.

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