Mittwoch, 29. Juni 2011

Teresa von Avila (+ 1582) („Der Weg der Vollkommenheit“ – 34. Kapitel) Unser tägliches Brot gib uns heute!


Die Bitte um tägliches Brot heißt, wie es scheint, so viel, als: für immer! Ich habe darüber nachgedacht, weshalb der Herr, nachdem er gesagt: täglich, noch einmal sagt: heute. Ich will euch meinen ungeschickten Einfall vortragen. Wenn es ein bloßer Einfall ist, so mag er es bleiben; wie es ohnehin eine große Torheit ist, dass ich mich auf solche Dinge einlasse. Täglich ist, meines Erachtens, deshalb gesagt, weil wir nicht nur hier auf Erden besitzen, sondern auch im Himmel besitzen werden, wenn wir uns hier die Teilnahme daran zu Nutzen machen. Denn er blieb aus keinem andern Grunde bei uns, als um uns zu helfen, uns zu ermutigen und uns zu unterstützen, auf dass der Wille, von dem wir gesagt haben, an uns zum Vollzuge gebracht werde.

Das Wort heute soll, wie ich glaube, bedeuten: auf einen Tag, d.h. so lange die Welt dauern wird, und nicht länger; wohl ist es auch nur Ein Tag für die Unglücklichen, welche sich selber verurteilen; denn sie werden es im andern Leben nicht mehr genießen. Es ist nicht Schuld des Herrn, wenn sie sich überwinden lassen, denn Er lässt nicht ab, uns zu ermutigen bis ans Ende des Kampfes. Sie werden keinen Grund haben, sich zu entschuldigen, oder sich über den ewigen Vater zu beklagen, dass ihnen jenes Brot entzogen worden sei, wo sie es am meisten bedurften. Weil es nur einen Tag dauert, so bittet ihn auch sein Sohn, dass er ihn denselben unter den Seinigen hinbringen lassen wolle, wie wohl ihn solches den Verunglimpfungen etlicher Bösen ausgesetzt. Da ihn seine Majestät allein vermöge ihres Willens und ihrer Güte uns gab und die Welt glaubte, so will er vermöge der seinigen uns nicht verlassen, sondern zu größerm Ruhme seiner Freunde und zur Qual seiner Feinde hier bleiben. Er bittet darum bei diesem Heute nicht um etwas Neues; denn wir glauben fest, dass er uns dieses allerheiligste Brot für allezeit gegeben hat. Seine Majestät hat uns, wie ich gesagt habe, diese Nahrung und diese Manna seiner Menschheit gegeben, damit wir es finden, wie wir es verlangen, so dass wir nur durch unsere eigene Schuld Hungers sterben können. Die Seele wird, wie sie nur immer zu essen begehrt, im allerheiligsten Sakramente Erquickung und Trost finden. Es gibt keine Not, keine Trübsal, keine Verfolgung, die nicht leicht zu ertragen ist, wenn wir einmal an seinem Leiden einen Geschmack finden.

Bittet, meine Töchter, vereint mit diesem Herrn den Vater, dass er euch heute den Bräutigam lasse, damit ihr in dieser Welt nicht ohne denselben seid. Zur Mäßigung einer so großen Freude bleibt er in die äußern Gestalten des Brotes und Weines verkleidet was eine genugsame Qual für den ist, der sonst Nichts hat, was er liebe oder was ihn in dieser Welt tröste. Aber bittet ihn, dass er euch nicht im Stiche lasse und euch zubereite, ihn würdig zu empfangen. Ihr, die ihr euch wahrhaft in den Willen Gottes ergeben habt, dürftet für anderes Brot nicht sorgen; ich meine nämlich die Zeit des Gebetes, wo ihr euch mit den wichtigsten Dingen beschäftigt. Es gibt auch Zeiten, wo ihr arbeiten könnet, um Nahrung zu erwerben; aber auch da dürftet ihr unbekümmert sein. Bemühet euch, zu keiner Zeit hierauf den Gedanken zu richten. Der Körper mag arbeiten, denn es ist wohlgetan, wenn ihr euch Mühe gebt, euch zu ernähren, die Seele muss inzwischen aber ruhen. Überlasset, wie bereits weitläufig erörtert worden, diese Sorge euer Bräutigam; er wird allezeit für euch sorgen. Befürchtet nicht, dass er euch verlasse, wenn ihr es nur nicht an dem ermangeln lasst, was ihr versprochen, nämlich indem ihr gelobt, euch in den Willen Gottes zu fügen. Führwahr, meine Töchter, wenn ich boshafter Weise jetzt diesem Versprechen untreu würde, wie es mir wohl früher öfters begegnet ist, so würde ich ihn nicht bitten, dass er mir Brot, noch irgend etwas Anderes zu essen gebe, sondern dass er mich lieber möge Hungers sterben lassen. Wozu will ich leben, wenn ich damit täglich mehr den ewigen Tod verdiene? Ergebt ihr euch aber, wie ihr es mit Worten sagt, wahrhaft Gott, so wird er für euch sorgen.

Es ist hier so, als wenn ein Knecht einen Dienst antritt. Ein solcher befleißt sich, in Allem zu tun, wie es seinem Herrn gefällt. Der Herr aber ist verpflichtet, dem Diener, so lange derselbe in seinem Hause und in seinem Dienste ist, Nahrung zu gewähren; er müsste denn so arm sein, dass er weder für sich noch jenen Brot hätte. Letzteres kann aber in unserm Falle nie eintreffen; denn unser Herr wird allezeit Macht und Vermögen haben. Würde es nun passend sein, wenn der Diener täglich käme und um Nahrung bäte, da er doch weiß, dass sein Herr ohnehin schon dafür sorgt und zu sorgen schuldig ist? Mit Recht würde ihn der Herr entgegnen, er solle auf seinen Dienst achten und zusehen, wie er seinem Herrn gefalle; denn sobald Jemand für Dinge sorgt, für welche er nicht zu sorgen hat, dann verrichtet er kein Geschäft, wie es sich gebührt. So, Meine Schwestern, mag Jeder, der da will, Sorge tragen, um das tägliche Brot zu erbitten; wir aber wollen den ewigen Vater bitten, dass wir würdig werden, um unser himmlisches Brot zu bitten. Können auch unsere leiblichen Augen sich nicht daran erfreuen, dasselbe zu schauen, weil er noch verhüllt ist, so mag es sich doch dem Blicke der Seele zeigen und sich als die himmlische Nahrung voll Freude, Süßigkeit und Kraft zur Erhaltung des Lebens uns erweisen.

Glaubt ihr nicht, dass diese heilige Speise auch Nahrung für diesen Leib ist, und eine wirksame Arznei auch gegen leibliche Krankheiten? Ich weiß, dass sie es ist, und kenne eine Person, die verschiedenen Krankheiten unterworfen ist, und der dieselben öfters, wenn sie auch die heftigsten Schmerzen litt, nach dem Genusse des Himmelsbrotes wie hinweggewischt wurden, dass sie ganz gesund ward. Dieses widerfuhr ihr sehr oft, ja gewöhnlich, und zwar in Krankheiten, die deutlich genug sich zeigten und bei denen eine Verstellung gar nicht möglich wäre. Die Wunder, welche dieses heilige Brot an denen wirkt, welche dasselbe würdig empfangen, sind sehr bekannt. Ich erwähne diejenigen, die ich von jener Person erzählen könnte, ganz kurz. Ich bin über das hierbei Vorgefallene wohl unterrichtet und weiß, dass es keine Lüge ist. Derselben hatte der Herr einen so lebendigen Glauben gegeben, dass sie lächelte, wenn sie Andere etwa sagen hörte, sie möchten zu der zeit gelebt haben, in welcher Christus, unser Glück, auf Erden wandelte. Sie fragte, was uns denn nochweiter gegeben werden solle, da wir ihn im heiligsten Sakramente eben so leibhaft gegenwärtig hätten, als damals.

Ich weiß von der nämlichen Person, dass sie viele Jahre lang, obwohl sie nicht sehr vollkommen war, während der Kommunion im Glauben sich lebendig vorstellte, sie sehe den Herrn mit leiblichen Augen in ihr Gemach eintreten. Durch diesen Glauben, der Herr betrete ihre arme Hütte, wollte sie sich von allen äußern Dingen losmachen, um bei ihm zu sein. Sie bemühte sich ihre Sinne so gesammelt zu halten, dass sie alle dieses große Gut genießen konnten, oder doch die Seele in ihrem Genusse nicht hinderten. Sie stellte sich vor, sie sitze zu seinen Füßen und weine mit Magdalena, als schaute sie ihn mit leiblichen Augen im Hause des Pharisäers. Wenn sie auch keine Andacht empfand, sagte ihr doch der Glaube, dass es gut bei ihm sei, und sie unterredete sich vertraulich mit ihm. Wollen wir nicht selber absichtlich ungeschickt sein und den Verstand verblenden, so ist dies gewiss keine Vorstellung der Einbildungskraft, wie wenn wir den Herrn am Kreuze hangend und in andern Szenen seiner Leidensgeschichte erblicken, wo wir dasjenige was sich begeben hat, uns vorstellen. Dies geschieht auch jetzt und ist volle Wahrheit, und es ist gar nicht nötig, dass wir ihn anderwärts in der Ferne aufsuchen, sondern wir wissen, dass der liebenswürdigste Jesus bei uns ist, so lange der natürliche Prozess nicht den Stoff des Brotes verzehrt hat. Lasset uns deshalb eine so gute Gelegenheit nicht verlieren, sondern recht innig an ihn uns anschließen.

Da er noch auf Erden wandelte, heilte die bloße Berührung seiner Kleider die Kranken. Darf man nun zweifeln, dass er auch bei seiner Gegenwart in uns Wunder tun werde, wenn wir je einen lebendigen Glauben haben? Gewiss gibt er uns bei seiner Einkehr in unser Haus, um was wir bitten werden. Seine Majestät kann die Herberge nicht schlecht belohnen, wenn man ihn wohl bewirtet hat. Wenn es euch weh tut, ihn nicht mit den leiblichen Augen zu sehen, so bedenket, dass uns dies nicht zuträglich ist; denn es ist etwas Anderes, ihn in seiner Herrlichkeit, als in seinem Erdenwandel zu schauen. Es würde Niemand im Stande sein, jenes Schauen bei unserer schwachen Natur zu ertragen; wäre es aber möglich, dann gäbe es keine Welt und Niemanden mehr, der in ihr bleiben möchte; denn das Schauen der ewigen Wahrheit würde deutlich zeigen, dass Alles, was wir hienieden hochachten, Lüge und Täuschung ist. Wie sollte nun aber eine arme Sünderin wie ich, welche ihn so sehr beleidigt hat, den Anblick einer so großen Majestät in der Nähe ertragen? Unter der Gestalt des Brotes aber lässt sich mit ihm verkehren; denn wenn ein König sich verkleidet, so haben wir, wie es scheint, das Recht, mit ihm ohne viele Umstände und Rücksichten zu verkehren; wir dürfen glauben, er sei verpflichtet, Manches zu leiden, da er sich eben verkleidet hat. Wer würde es sonst wagen, bei solcher Lauheit, so unwürdig und bei so vielen Unvollkommenheiten ihm zu nahen? Da wir nicht wissen, was wir begehren (wenn wir ihn sehen wollen), so hat seine Weisheit besser auf uns Rücksicht genommen; denn wo er sieht, dass es zum Heile gereicht, da offenbaret er sich den Seelen; und wenn sie ihn auch mit den leiblichen Augen nicht sehen, so hat er noch vielerlei Weisen, sich ihnen zu offenbaren durch große innere Empfindungen, aber auf verschiedenen Wegen.

Seid gerne bei ihm, und versäumt die gute Gelegenheit nicht, wie die Stunde nach der Kommunion ist, um mit ihm zu verkehren. Bedenket, dass dieses ein großer Gewinn für die Seele ist, und der gute Jesus sich dieser Gelegenheit häufig bedient, damit ihr ihm Gesellschaft leistet. Nehmt euch sehr in Acht, meine Töchter, dieselbe nicht zu verlieren, wenn nicht etwa die Pflicht des Gehorsams euch etwas Anderes auferlegt; befleißet euch, eure Seele bei dem Herrn zu lassen. Er ist euer Lehrer, und wird nicht aufhören euch zu belehren, wenn ihr ihn auch nicht versteht. Wenn ihr die Gedanken gleich nach andern Seiten richtet und nicht mit Aufmerksamkeit auf den sehet, der in euch ist, dann dürft ihr euch nachher nur über euch selbst beklagen. Diese Zeit (nach der Kommunion) ist sehr passend, um von unserm guten Lehrer unterrichtet zu werden, um ihn zu hören und ihm die Füße dafür zu küssen, weil er uns lehren will, und ihn zu bitten, dass er von uns nimmermehr weiche. Wenn ihr beim bloßen Anblicke eines Bildes Christi um dieses bitten müsstet, so will es mir einfältig erscheinen, jetzt diese Person zu verlassen, um ihr Bild anzuschauen. Es wäre gerade so, wie wenn wir von einer Person, die wir sehr liebten, ein Bild hätten, und mit der Person, wenn sie selbst zu uns käme, nicht selber reden wollten, sondern immer nur an das Bild uns wendeten. Wollt ihr wissen, wann das Anschauen von einem Bilde des Herrn, was mich gewöhnlich selbst recht erquickt, gut und heilsam ist? Wenn die Person selber anwesend ist, und uns ihre Abwesenheit durch große Trockenheit des Gemütes zu erkennen gibt, dann ist es eine große Freude, ein Bild dessen zu sehen, den wir so innig lieben; aller Orten möchte ich demselben dann die Augen zuwenden, um es zu sehen. Denn wohin können wir unsern Blick besser und mit mehr Genuss wenden, als zu dem, welcher uns so sehr liebt, und der alles Glück in sich begreift? Ach, wie unglücklich sind jene Ketzer, welche durch ihre Schuld nebst andern auch diese Freude verloren haben!

Nachdem ihr den Herrn (in der Kommunion) empfangen, ist er persönlich bei euch. Bemühet euch, nun die Augen des Leibes zu verschließen und die der Seele zu öffnen, und in das Innerste des Herzens hinein zu sehen! Ich sage euch (und sage es euch nochmals und möchte es vielmals sagen), wenn ihr diese Gewohnheit jedes Mal, so oft ihr zur heiligen Kommunion geht, beobachtet, und euch auch bemüht, ein reines Gewissen zu haben, dann werdet ihr dabei den köstlichsten Genuss haben. Der Herr wird sich euch nicht verhüllen; er wird sich euch offenbaren, gemäß euerm Verlangen, ihn zu schauen, auf mancherlei Weise; euer Verlangen kann so groß werden, dass er sich euch völlig enthüllt. Wenn wir aber auf ihn keine Acht haben, sondern, nachdem wir ihn empfangen, uns von ihm abwenden und andere nichtige Dinge aufsuchen, was soll er dann tun? Soll er uns etwa mit Gewalt zwingen, ihn zu schauen? Soll er uns seine nähere Offenbarung aufbringen? Nein! Hat er doch dies auch damals nicht getan, da er enthüllt vor Allen sich schauen ließ´, und ausdrücklich sagte, wer er wäre; denn da gab es Wenige, welche an ihn glaubten. Und so erweist er uns Allen eine große Barmherzigkeit; denn seine Majestät will, dass wir begreifen, Er sei es, der im heiligsten Altarsakramente gegenwärtig ist. Enthüllt zeigt er sich und seine Wunder und Schätze nur denen, von denen er weiß, dass sie ein großes Verlangen nach ihm haben; denn diese sind seine wahrhaften Freunde. Ich sage euch: Wer kein solcher Freund ist und nicht wohl vorbereitet sich ihm naht, wer nicht das Seinige getan, der verlange von ihm ja nicht, dass er sich ihm zu erkennen gebe! Ein solcher Mensch kann kaum die Stunde aushalten, bis er erst erfüllt hat, (was die Kirche gebietet), um sodann sein Haus wieder zu verlassen und den Herrn wieder von sich zu treiben. Ein Solcher befasst sich mit verschiedenen weltlichen Händeln und Geschäften, so dass es den Anschein gewinnt, er bemühe sich, so schnell als möglich den Herrn zu hemmen, dass er von seiner Wohnung nicht Besitz nehmen kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen