Dienstag, 5. Juli 2011

Johannes Paul II. (+ 2005) (Aus dem Enzyklika «Ecclesia de Eucharistia », #59-62, von 2003)


»Ave, verum corpus natum de Maria Virgine!«. Vor wenigen Jahren habe ich den fünfzigsten Jahrestag meines Priestertums gefeiert. Ich erfahre heute die Gnade, der Kirche diese Enzyklika über die Eucharistie zu schenken, am Gründonnerstag, der in das fünfundzwanzigste Jahr meines petrinischen Amtes fällt. Ich tue dies mit einem Herzen voller Dankbarkeit. Seit mehr als einem halben Jahrhundert, seit dem 2. November 1946, an dem ich meine Primiz in der Krypta des Heiligen Leonhard in der Kathedrale auf dem Wawel in Krakau zelebriert habe, sind meine Augen jeden Tag auf die weiße Hostie gerichtet, in der Zeit und Raum in gewisser Weise »zusammenfallen« und in der das Drama von Golgatha lebendig gegenwärtig wird sowie seine geheimnisvolle »Gegenwärtigkeit« enthüllt. Jeden Tag hat mein Glaube im konsekrierten Brot und im konsekrierten Wein den göttlichen Wanderer erkennen können, der sich eines Tages an die Seite der zwei Jünger von Emmaus gesellte, um ihnen die Augen für das Licht und das Herz für die Hoffnung zu öffnen (vgl. Lk 24, 13-35).

Erlaubt mir, meine lieben Brüder und Schwestern, mein Glaubenszeugnis über die heiligste Eucharistie mit innerer Begeisterung, in Begleitung und zur Stärkung eures Glaubens abzulegen. »Ave, verum corpus natum de Maria Virgine, vere passum, immolatum, in cruce pro homine!''. Hier ist der Schatz der Kirche, das Herz der Welt, das Unterpfand des Ziels, das jeder Mensch, sei es auch unbewußt, erstrebt. Ein großes Geheimnis, das uns überragt und sicherlich das Verstehensvermögen unseres Geistes auf die harte Probe stellt, über den Augenschein hinauszugehen. Hier täuschen sich unsere Sinne – »visus, tactus, gustus in te fallitur« , sagt der Hymnus Adoro te devote – , aber der Glaube allein, verwurzelt im Wort Christi, das uns durch die Apostel anvertraut ist, genügt uns. Erlaubt mir, zu Christus – gleich Petrus am Ende der Eucharistierede im Johannesevangelium – im Namen der ganzen Kirche und im Namen eines jeden von euch zu wiederholen: »Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens« (Joh 6, 68).

Jedes Streben nach Heiligkeit, jede auf die Verwirklichung der Sendung der Kirche ausgerichtete Aktion, jede Ausführung pastoraler Pläne muss die notwendigen Kräfte aus dem eucharistischen Geheimnis beziehen und auf dieses hingeordnet sein als auf ihren Höhepunkt. In der Eucharistie finden wir Jesus, ist für uns sein Erlösungsopfer präsent, begegnen wir seiner Auferstehung, erhalten wir die Gabe des Heiligen Geistes, haben wir die Anbetung, den Gehorsam und die Liebe zum Vater. Wenn wir die Eucharistie vernachlässigten, wie könnten wir unserer Erbärmlichkeit abhelfen?

Das eucharistische Geheimnis – Opfer, Gegenwart, Mahl – duldet weder Reduzierungen noch Instrumentalisierungen. Es muß in seiner Ganzheit gelebt werden, sei es im Ereignis der Feier, sei es im innigen Zwiegespräch mit Jesus, den man gerade in der hl. Kommunion empfangen hat, sei es im betenden Verweilen bei der eucharistischen Anbetung außerhalb der heiligen Messe. Die Kirche wird also fest auferbaut und es drückt sich das aus, was sie wahrhaftig ist: die eine, heilige, katholische und apostolische; Volk, Heiligtum und Familie Gottes; Leib und Braut Christi, beseelt vom Heiligen Geist; universales Heilssakrament und hierarchisch gegliederte Gemeinschaft.

Indem wir der Eucharistie ganz und gar die Bedeutung beimessen, die ihr zukommt, und indem wir mit aller Sorge darauf bedacht sind, keine ihrer Dimensionen oder Ansprüche abzumindern, zeigen wir uns wahrhaftig der Größe dieser Gabe bewusst. Dazu lädt uns eine ununterbrochene Überlieferung ein, die seit den ersten Jahrhunderten die Wachsamkeit der christlichen Gemeinde in Bezug auf die Obhut dieses »Schatzes« bezeugt. Gedrängt von der Liebe sorgt sich die Kirche darum, den Glauben an das Geheimnis der Eucharistie und die diesbezügliche Lehre den nachfolgenden christlichen Generationen weiterzugeben, ohne davon irgendein Fragment aufzugeben. Es besteht keinerlei Gefahr, in der Sorge um dieses Geheimnis zu übertreiben, weil »in diesem Sakrament das ganze Mysterium unseres Heiles zusammengefasst ist«.
Begeben wir uns, meine lieben Brüder und Schwestern, in die Schule der Heiligen, der großen Verkünder der wahren eucharistischen Frömmigkeit. In ihnen erlangt die Theologie der Eucharistie den vollen Glanz des Erlebten, sie »steckt uns an« und sie »erwärmt« uns sozusagen. Hören wir vor allem auf die Seligste Jungfrau Maria, in der das eucharistische Geheimnis mehr als in jedem anderen Menschen als Geheimnis des Lichtes erscheint. Im Blick auf sie erkennen wir die verwandelnde Kraft, die der Eucharistie eignet. In ihr sehen wir die in der Liebe erneuerte Welt. Wenn wir Maria als die mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommene betrachten, sehen wir das Aufbrechen des »neuen Himmels« und der »neuen Erde«, die sich bei der zweiten Ankunft Christi vor unseren Augen öffnen werden. Die Eucharistie ist hier auf Erden ihr Unterpfand und in mancher Hinsicht ihre Vorwegnahme: »Veni, Domine Iesu! « (Offb 22, 20).
Im demütigen Zeichen von Brot und Wein, wesensverwandelt in seinen Leib und in sein Blut, geht Christus als unsere Kraft und unsere Wegzehrung mit uns und macht uns für alle zu Zeugen der Hoffnung. Wenn angesichts dieses Geheimnisses die Vernunft ihre Grenzen erfährt, erahnt das von der Gnade des Heiligen Geistes erleuchtete Herz, wie man sich ihm nähert und sich in Anbetung und grenzenloser Liebe darin versenkt.

Machen wir uns die Empfindungen des heiligen Thomas von Aquin zu Eigen, dieses vortrefflichen Theologen und gleicherweise leidenschaftlichen Sängers des eucharistischen Christus. Lassen wir zu, dass auch unser Geist sich in der Hoffnung auf die Anschauung des Zieles öffne, nach welchem sich das Herz sehnt, das, wie es beschaffen ist, nach Freude und Frieden dürstet:

»Bone pastor, panis vere,
Iesu, nostri miserere...
Guter Hirt, Du wahre Speise,
Jesus, gnädig dich erweise!
Nähre uns auf deinen Auen,
laß uns deine Wonnen schauen
in des Lebens ewigem Reich!
Du der alles weiß und leitet,
uns im Tal des Todes weidet,
laß an deinem Tisch uns weilen,
deine Herrlichkeit uns teilen.
Deinen Seligen mach uns gleich!«.

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