Wir erkennen Gott nicht, wie er seinem innersten Wesen nach ist, sondern nur so, wie er sich uns in seinem Werken zeigt. Darum nennen wir ihn mit verschiedenen Namen, als ob er eine Vielzahl gearteter Vollkommenheiten besäße.
Kein Mensch und kein Engel vermag die Herrlichkeit Gottes mit einem Namen zu nennen, der sein Wesen ausdrückt. Der Herr hat einen Namen, den niemand kennt als er allein (Offb. 19,12), weil nur er seine unendliche Vollkommenheit ganz erfasst.
Darum antwortet Gott dem Vater Samsons, der nach seinem Namen fragt, durch den Mund des Engels: „Warum fragst du nach meinem Namen, der wunderbar ist?“ (Ri 13,18) Es ist, als wollte er sagen: „Die Geschöpfe können wohl meinen Namen bewundern, doch sie vermögen ihn nicht auszusprechen. Sie sollen ihn anbeten, doch ich allein verstehe ihn, da ich durch ihn meine Erhabenheit ausdrücke.“
Da unser Geist zu schwach ist, um sich diese unermessliche Erhabenheit vorzustellen, müssen wir verschiedene Eigenschaften ins Auge fassen, wenn wir von Gott sprechen. Wir sagen: Gott ist gütig, weise, allmächtig, gerecht, heilig, unendlich, unsterblich, unsichtbar. Gewiss, dies alles trifft wirklich auf Gott zu, da er weit mehr ist als das; doch er ist auf eine so reine, herrliche, erhabene Weise, dass er in einer ganz einfachen Vollkommenheit das Wesen, die Wirkkraft und die Erhabenheit aller Vollkommenheiten besitzt.
Wie heißt es doch im Buch Sirach (43,27ff)? „Er ist alles. Wie können wir ihn preisen? Er ist ja noch größer als alle seine Werke. Ehrfurchtgebietend und überaus groß ist der Herr, und wunderbar ist seine Macht. Erhebt den Herrn mit Lobpreis, so hoch ihr könnt: er ist doch immer noch erhabener. Lobpreiset ihn mit allen Kräften und werdet nicht müde! Ihr kommt doch nicht ans Ende.“ Nie werden wir ihn zu begreifen vermögen, denn „Gott ist größer als unser Herz“ (1 Joh 3,20).
Dennoch soll jeder Geist ihn preisen und ihn mit den erhabensten Namen nennen, die ersonnen werden können. Der größte Lobpreis jedoch, den wir ihm erweisen können, ist das Bekenntnis, dass sein Name über alle Namen erhaben ist und dass wir unfähig sind, ihn geziemend zu verherrlichen.
(Philotea; II Buch, 1. Kap. 60-63.)
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